Recht & Gesetze
Teil 1 Allgemeine Vorschriften
§ 1 Zweck des Gesetzes

(1) Dieses Gesetz regelt das Standortauswahlverfahren.

(2) Mit dem Standortauswahlverfahren soll in einem partizipativen, wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden und lernenden Verfahren für die im Inland verursachten hochradioaktiven Abfälle ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Absatz 3 Satz 1 des Atomgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt werden. Der Standort mit der bestmöglichen Sicherheit ist der Standort, der im Zuge eines vergleichenden Verfahrens aus den in der jeweiligen Phase nach den hierfür maßgeblichen Anforderungen dieses Gesetzes geeigneten Standorten bestimmt wird und die bestmögliche Sicherheit für den dauerhaften Schutz von Mensch und Umwelt vor ionisierender Strahlung und sonstigen schädlichen Wirkungen dieser Abfälle für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet. Dazu gehört auch die Vermeidung unzumutbarer Lasten und Verpflichtungen für zukünftige Generationen. Zur Erreichung dieses Ziels werden zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten keine Abkommen geschlossen, mit denen nach den Bestimmungen der Richtlinie 2011/70/EURATOM des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (ABl. L 199 vom 2.8.2011, S. 48) eine Verbringung radioaktiver Abfälle einschließlich abgebrannter Brennelemente zum Zweck der Endlagerung außerhalb Deutschlands ermöglicht würde.

(3) In Deutschland kommen grundsätzlich für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle die Wirtsgesteine Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein in Betracht.

(4) An dem auszuwählenden Standort soll die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen in einem für diese Zwecke errichteten Endlagerbergwerk mit dem Ziel des endgültigen Verschlusses erfolgen. Die Möglichkeit einer Rückholbarkeit für die Dauer der Betriebsphase des Endlagers und die Möglichkeit einer Bergung für 500 Jahre nach dem geplanten Verschluss des Endlagers sind vorzusehen.

(5) Das Standortauswahlverfahren ist nach Maßgabe der §§ 12 ff. reversibel. Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr 2031 angestrebt.

(6) Die Endlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle am auszuwählenden Standort ist zulässig, wenn die gleiche bestmögliche Sicherheit des Standortes wie bei der alleinigen Endlagerung hochradioaktiver Abfälle gewährleistet ist.

§ 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Endlagerung
die Einlagerung radioaktiver Abfälle in eine Anlage des Bundes nach § 9a Absatz 3 Satz 1 des Atomgesetzes (Endlager), wobei eine Rückholung nicht beabsichtigt ist;
2.
Erkundung
die über- und untertägige Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle;
3.
Rückholbarkeit
die geplante technische Möglichkeit zum Entfernen der eingelagerten Abfallbehälter mit radioaktiven Abfällen während der Betriebsphase;
4.
Bergung
ungeplantes Herausholen von radioaktiven Abfällen aus einem Endlager;
5.
Reversibilität
die Möglichkeit der Umsteuerung im laufenden Verfahren zur Ermöglichung von Fehlerkorrekturen;
6.
Gebiete
sämtliche hinsichtlich ihrer Eignung als Endlagerstandort zu bewertenden räumlichen Bereiche innerhalb Deutschlands; ein Gebiet umfasst die übertägigen Flächen und die darunterliegenden untertägigen Gesteinsformationen;
7.
geologische Barrieren
geologische Einheiten, die eine Ausbreitung von Radionukliden be- oder verhindern;
8.
technische und geotechnische Barrieren
künstlich erstellte Einheiten, die eine Ausbreitung von Radionukliden be- oder verhindern;
9.
einschlusswirksamer Gebirgsbereich
der Teil eines Gebirges, der bei Endlagersystemen, die wesentlich auf geologischen Barrieren beruhen, im Zusammenwirken mit den technischen und geotechnischen Verschlüssen den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle in einem Endlager gewährleistet;
10.
Einlagerungsbereich
der räumliche Bereich des Gebirges, in den die radioaktiven Abfälle eingelagert werden sollen; falls das Einschlussvermögen des Endlagersystems wesentlich auf technischen und geotechnischen Barrieren beruht, zählt hierzu auch der Bereich des Gebirges, der die Funktionsfähigkeit und den Erhalt dieser Barrieren gewährleistet;
11.
Endlagersystem
das den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle durch das Zusammenwirken der verschiedenen Komponenten bewirkende System, das aus dem Endlagerbergwerk, den Barrieren und den das Endlagerbergwerk und die Barrieren umgebenden oder überlagernden geologischen Schichten bis zur Erdoberfläche besteht, soweit sie zur Sicherheit des Endlagers beitragen;
12.
Endlagerbereich
der Gebirgsbereich, in dem ein Endlagersystem realisiert ist oder realisiert werden soll;
13.
Deckgebirge
der Teil des Gebirges oberhalb des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs und bei Endlagersystemen, die auf technischen und geotechnischen Barrieren beruhen, oberhalb des Einlagerungsbereichs;
14.
Prüfkriterien
die nach § 16 Absatz 2, § 17 Absatz 4 und § 18 Absatz 2 für die Bewertung der Ergebnisse der untertägigen Erkundung aufzustellenden und anzuwendenden standortspezifischen Prüfmaßstäbe;
15.
Sicherheitsanforderungen
die nach § 26 Absatz 3 durch Rechtsverordnung zu erlassenden Bestimmungen, die festlegen, welches Sicherheitsniveau ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in tiefen geologischen Formationen zur Erfüllung der atomrechtlichen Anforderungen einzuhalten hat;
16.
vorläufige Sicherheitsuntersuchungen
die auf der Grundlage von § 27 und einer Rechtsverordnung nach § 27 Absatz 6 durchzuführenden Untersuchungen, die in den Verfahrensschritten nach § 14 Absatz 1 auf Grundlage der erhobenen, bei den Behörden des Bundes und der Länder vorliegenden Daten, nach § 16 Absatz 1 auf Grundlage der Ergebnisse der übertägigen Erkundung und nach § 18 Absatz 1 auf Grundlage der Ergebnisse der untertägigen Erkundung sowie auf Grundlage des dem jeweiligen Verfahrensstand entsprechenden konkretisierten Endlagerkonzeptes anzufertigen sind;
17.
Erkundungsprogramme
die Gesamtheit der nach § 15 Absatz 4 und § 17 Absatz 4 für die über- und untertägige Erkundung vorzusehenden Maßnahmen, die dazu dienen, die standortbezogenen geowissenschaftlichen Daten zu ermitteln, die für die erneute Anwendung der geowissenschaftlichen Anforderungen und Kriterien und zur Durchführung der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen jeweils erforderlich sind;
18.
Teilgebiete
die nach § 13 zu ermittelnden Gebiete, die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen;
19.
Standortregionen
die nach § 14 zu ermittelnden Gebiete, die innerhalb der Teilgebiete liegen und die für die übertägige Erkundung zur Ermittlung der in diesen Regionen liegenden möglicherweise geeigneten Endlagerstandorte in Betracht kommen;
20.
Standorte
die nach § 16 Absatz 2 zu ermittelnden Gebiete, die innerhalb der Standortregionen liegen und für die untertägige Erkundung zur Ermittlung ihrer Eignung als Endlagerstandort in Betracht kommen.

Fußnote

(+++ § 2: Zur Anwendung vgl. § 2 EndlSiUntV +++)

§ 3 Vorhabenträger

(1) Vorhabenträger ist der Dritte nach § 9a Absatz 3 Satz 2 zweiter Halbsatz des Atomgesetzes. Der Vorhabenträger hat die Aufgabe, das Standortauswahlverfahren durchzuführen, insbesondere:

1.
Teilgebiete nach § 13 zu ermitteln,
2.
Vorschläge für die Auswahl der Standortregionen und der zu erkundenden Standorte nach § 14 Absatz 2 und § 16 Absatz 3 zu erarbeiten,
3.
Erkundungsprogramme nach § 14 Absatz 1 und § 16 Absatz 2 sowie Prüfkriterien nach § 16 Absatz 2 zu erarbeiten,
4.
die übertägige und untertägige Erkundung nach den §§ 16 und 18 durchzuführen,
5.
die jeweiligen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen nach § 14 Absatz 1, § 16 Absatz 1, § 18 Absatz 1 und § 26 zu erstellen,
6.
dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung den Standort für ein Endlager nach § 18 Absatz 3 vorzuschlagen.

(2) Der Vorhabenträger informiert die Öffentlichkeit über die im Rahmen des Standortauswahlverfahrens von ihm vorgenommenen Maßnahmen.

§ 4 Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung

(1) Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung hat im Standortauswahlverfahren insbesondere die Aufgaben:

1.
Erkundungsprogramme nach § 15 Absatz 4 und § 17 Absatz 4 sowie Prüfkriterien nach § 17 Absatz 4 festzulegen,
2.
die Vorschläge des Vorhabenträgers nach § 14 Absatz 2, § 16 Absatz 3 und § 18 Absatz 3 zu prüfen und hierzu begründete Empfehlungen zu erarbeiten,
3.
den Vollzug des Standortauswahlverfahrens entsprechend § 19 Absatz 1 bis 4 des Atomgesetzes zu überwachen.

(2) Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung ist Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren. Es informiert die Öffentlichkeit umfassend und systematisch über das Standortauswahlverfahren. Es veröffentlicht die Vorschläge jeweils unmittelbar nach Übermittlung durch den Vorhabenträger.